Eine Woche Feuerwerk der Turnkunst

„Eine Woche Feuerwerk der Turnkunst“

Am Freitag, 08.07.2011 machten sich 19 Frauen aus Friesland auf den Weg zur Welt-Gymnaestrada nach Lausanne.

Das Gymnastikfest in der Schweiz bringt über 20000 Menschen aus mehr als 50 Nationen zusammen. Höhepunkt ist die gemeinsame Abschlussveranstaltung im Stadion.

Es muss schon einen triftigen Grund geben. Zumindest braucht es eine schlüssige Erklärung, wenn 19 Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren ohne Murren eine 15-stündige Busreise antreten, ihr bequemes Bett freiwillig für eine Woche im Matratzenlager und das komfortable Bad gegen eine Gemeinschaftsdusche eintauschen. Die Lösung heißt Lausanne. Oder genauer: Die 14. Welt-Gymnaestrada in Lausanne. Sonntag beginnt sie. Und deshalb starteten am Freitag 19 Frauen aus dem Turnkreis Friesland in Richtung Genfer See. Begleitet werden sie von der Aussicht auf wenig Komfort, aber umso mehr Spaß. „Es ist wie eine Klassenfahrt für Große“, sagt Angelika Wiethölter vom TuS Glarum. Sie freue sich sehr auf das, was auf sie und die über 20000 weiteren Teilnehmer in der nächsten Woche zukommt.

Seit 1953 findet im Rhythmus von vier Jahren die Gymnaestrada des Weltgymnastikverbandes FIG statt. Bei der Premiere in Rotterdam nahmen 5000 Männer und Frauen teil. Im schweizerischen Lausanne, wo das Weltturnfest in diesem Jahr Station macht, rechnen die Organisatoren mit mehr als viermal so vielen. Die Teilnehmer reisen aus über 50 Nationen an und verwandeln die Stadt, die ungefähr die Größe von Oldenburg hat, bis zum 16. Juli in eine riesige Sportarena. Auf dutzenden Bühnen zeigen Gruppen aus aller Welt Aufführungen und laden unzählige Seminare dazu ein, mitzumachen. „Man muss sich das vorstellen wie eine Woche Feuerwerk der Turnkunst“, vergleicht Angelika Wiethölter die Gymnaestrada mit der populären Turnshow des Niedersächsischen Turnerbundes (NTB). Eine Woche bewegt sich das öffentliche Leben in Lausanne im Takt von Musik und im Rhythmus der Sportler.

Seit Anfang des Jahres üben sie deswegen regelmäßig in Friesland. Gemeinsam mit anderen Gruppen aus dem gesamten Gebiet des Westfälischen Turnerbundes und des NTB werden die Frauen vom TuS Glarum (die Hupfdohlen), TuS Sande und TV Bockhorn am Montag und Mittwoch bei der Gymnaestrada auftreten. Am vergangenen Sonntag fand dafür die zentrale Abschlussprobe in der Landesturnschule in Melle statt. „Bis auf das normale Chaos“ habe „alles gut geklappt“, sagt Doris Wilken, eine von insgesamt zehn Teilnehmerinnen aus Bockhorn, und muss selber lachen. Das Schwierigste seien die Übergänge, wenn Hunderte zeitgleich einen neuen Platz einnehmen.

In Melle haben sie dabei wenigstens eine Sprache gesprochen. Komplizierter wird es in Lausanne bei der großen Abschlussveranstaltung in einer Woche. Dann gilt es, die einzelnen Bestandteile, die weltweit einstudiert wurden, möglichst fehlerfrei vor zehntausenden Zuschauern im Stadion wieder zu einem großen Ganzen zu verbinden. Darauf haben die Bockhorner Turnerinnen in diesem Jahr verzichtet. Sie werden nicht aktiv an der großen Schau teilnehmen. „Wir möchten neben den Generalproben vor Ort und den Auftritten etwas mehr Zeit für uns haben“, begründet Doris Wilken den Entschluss. Die Glarumer und Sander Frauen schonen sich dagegen nicht. Bereits im Mai waren sie morgens um 4 Uhr nach Hanau in Hessen gefahren, um bei der einzigen Probe aller deutschen Gruppen dabei zu sein. Abends ging es wieder in den Bus. Um 2.30 Uhr waren sie zurück in Friesland.

Was ist es also, das diese Frauen – denn auch in Lausanne werden nur rund 20 Prozent der Teilnehmer männlich sein – diesen Aufwand gerne in Kauf nehmen lässt? Eine Gymnaestrada sei ein „tolles, konkurrenzloses und internationales Miteinander“, sagt Angelika Wiethölter, die schon in Berlin, Göteborg, und Lissabon dabei war. Sie mag das Chaos, das Improvisieren und die Stimmung, die die Veranstaltung und die vielen tausend Sportler in die Städte tragen. Doris Wilken fasziniert die große Harmonie, die bei den Weltturnfesten herrscht. Trotz der Unterschiede und obwohl man sich eigentlich fremd sei, habe man das Gefühl einander zu kennen, hat sie festgestellt. Einer der schönsten Momente, auf den sie sich freut, ist der Moment, wenn die Teilnehmer bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einmarschieren. Wie bei den Olympischen Spielen auch, werden zum Auftakt alle Nationen einzeln vorgestellt. „Da kriege ich jetzt schon eine Gänsehaut“, sagt sie. 

Bericht und Fotos: Gordon Päschel



Unsere Lausanne-Reisenden Vera, Moni, Konnie,
Helga, Angelika, Mathi und Brigitta mit den beiden Sandern Ulla und Erika bei der Verabschiedung am Freitag Nachmittag.....


.....mit dem Komitee.
 


Fotos: Gertrud Hennig

 

Weltturnfest mit Blick auf den Genfer See

19 Frauen vertraten Friesland bei der 14. Gymnaestrada in Lausanne / Generalprobe bei Blitz und Donner

Die Schweiz präsentierte sich als nahezu perfekter Gastgeber. Einzig die Preise ließen die Teilnehmer schlucken.

Im Abstand von vier Jahren versammeln sich Gymnastikgruppen aus aller Welt zu einem einzigartigen Fest, der Welt-Gymnaestrada. In diesem Jahr kamen erneut rund 20000 Turnerinnen und Turner zusammen, unter ihnen auch 19 Frauen aus Friesland (diese Zeitung berichtete). In Lausanne, der Hauptstadt der Olympischen Bewegung, feierten sie eine Woche lang an der Seite von Afrikanern, Asiaten und Amerikanern.

In Reisebussen hatten sich die Turnfrauen vom TuS Glarum, TV Bockhorn und TuS Sande auf den Weg in Richtung Schweiz gemacht. Ihr Ziel: Ein Schulzentrum in Morges, einer Kleinstadt zehn Kilometer südwestlich von Lausanne. Hier war die insgesamt über 1700-köpfige Delegation der Deutschen für die Dauer der Festtage in Klassenzimmern untergebracht. Mit einer großen Willkommensparty wurden die Gäste am ersten Abend begrüßt. Es war ein herzlicher Empfang, sagt Angelika Wiethölter vom TuS Glarum, die bereits zum vierten Mal an einer Gymnaestrada teilgenommen hatte. „Man hat gespürt, dass die Schweizer ganz auf uns eingestellt waren.“ In der ganzen Stadt wehten Flaggen, und an vielen Orten waren große Blumenbeete angelegt, die das Logo der Veranstaltung darstellten, erzählt sie.

Dankbar registrierten die Friesländerinnen zudem, dass Lotsen und sogenannte Volonteers (Freiwillige Helfer) bereit standen, um den internationalen Gästen zu helfen. Denn die Gymnaestrada verteilte sich auf mehrere Orte in der 128000 Einwohner zählenden Stadt. Viele der Helfer verstanden deutsch, die meisten aber sprachen nur französisch, so wie die gemütlichen älteren Herren des örtlichen Gesangvereins, die sich in der Schule in Morges um die Deutschen kümmerten. Probleme bei der Kommunikation gab es dennoch nicht. „Es ist schon erstaunlich“, sagt Doris Wilken vom TV Bockhorn. „Man spricht nicht die gleiche Sprache und kann sich trotzdem verständigen.“ Es ist genau dieser Reiz des Improvisierens und Miteinanders, den die 55-Jährige an den Weltturnfesten so schätzt.

Das Herzstück der Gymnaestrada befand sich auf einem großen Kongress- und Ausstellungszentrum (Beaulieu) im Stadtnorden von Lausanne. In mehreren Hallen präsentierten sich an allen Tagen die 55 Teilnehmernationen. Die Friesländerinnen traten hier gleich zweimal auf. Gemeinsam mit Gymnastikgruppen des Westfälischen und Niedersächsischen Turnerbundes zeigten sie, was sie zuvor über Monate in den heimischen Übungsstunden einstudiert hatten. Die Generalprobe für das Großgruppenbild fand bei Blitz und Donner am Sonntagvormittag statt, erzählt Doris Wilken. „Total chaotisch“, sei dieser letzte Test verlaufen. Da die Stereoanlage die CD nicht abspielte, musste in aller Eile Ersatz herbei geschafft werden. „Und wir hatten die Halle nur für eine Stunde“, so Doris Wilken. Am Ende aber haben die Aufführungen dennoch geklappt.

Nur fünf Minuten vom Kongresszentrum entfernt lag das Stadion Pontaise. Normalerweise finden hier die Spiele des Schweizer Fußballerstligisten FC Lausanne-Sport vor bis zu 15000 Zuschauern statt. Für die Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung der Gymnaestrada hatten die Organisatoren die Kapazität jedoch verdoppelt. Zum offiziellen Auftakt des 14. Weltturnfestes konnten so alle Teilnehmer ins Stadion einmarschieren und hinterher die Eröffnungsfeier von der Tribüne aus verfolgen. Höhepunkt des Showteils war der Auftritt der schweizerischen Kunstflugstaffel. In wechselnden Formationen donnerten sechs Militärjets über die Köpfe der Zuschauer hinweg. „Das war schon eindrucksvoll“, sagt Angelika Wiethölter.

Die Feierlichkeiten und Veranstaltungen beschränkten sich aber nicht nur auf das Stadion und das Kongresszentrum. In der Stadt waren an weiteren Orten Bühnen und Festmeilen aufgebaut. Die buntesten Partys fanden am Hafen mit Blick auf den Genfer See statt, wo Musikbands spielten und DJs am Abend Musik auflegten.

Zur optischen Orientierung in der hügeligen Altstadt von Lausanne hatten die Organisatoren am Boden sogenannte Magic Points aufgeklebt, rote Punkte, die den Teilnehmern deutlich sichtbar den Weg wiesen. Überhaupt, befand Angelika Wiethölter, habe sie selten erlebt, dass eine Stadt so gut auf ein Turnfest vorbereitet war. „Es war sehr gut organisiert“, lobt sie.

Überrascht wurden die Friesländerinnen lediglich von den Preisen in der Schweiz. Ein einfaches Tellergericht kostete mindestens 20 Franken, umgerechnet rund 17 Euro. Es habe ein paar Tage gedauert, bis sie sich darauf eingestellt hätten, erzählt Doris Wilken. Anstatt ins Restaurant zu gehen, hätten sie sich ihr Essen dann selbst zusammengestellt. „Baguette, Rotwein und Käse schmecken schließlich auch gut.“

An die hohen Preise sollten sich die Friesländerinnen mit Blick auf das nächste Weltturnfest schon einmal gewöhnen. Denn 2015 findet die 15. Weltgymnaestrada in Finnland statt, genauer in Helsinki. Angelika Wiethölter liebäugelt jedenfalls bereits mit einer Teilnahme. Zu schön war die Woche in Lausanne, sagt sie.    
(Bericht und Bilder: Gordon Päschel)

 

   

Nach einer anstrengenden Woche wurden die Lausanne-Reisenden am Sonntag, 17.07.2011 wieder empfangen.
Auf dem EDEKA Parkplatz war von den Daheimgebliebenen ein Buffet aufgebaut worden.
Unser 1. Vorsitzender Jochen Dilling überreichte jeder Hupfdohle eine Rose.